Endlich der Gegenbesuch: Auf einer Reise mit einem ganzen Konglomerat neu hinzugestoßener Initiativen und Verbände konnte der Städtepartnerschaftsverein Tübingen/Moshi die Verbindungen zum anderen Kontinent vertiefen.
Fünf Jahre mussten die Freunde in Moshi auf den Gegenbesuch der Tübinger warten. Im Sommer 2018 war der Amkeni-Chor aus Moshi beim Verein Städtepartnerschaft Tübingen-Moshi zu Gast. Sowohl das Begegnungskonzert mit Bloch-Chor und Afrikor als auch die Zeit der Beherbergung der Sänger und Sängerinnen bei Vereinsmitgliedern sind noch in guter Erinnerung. Für 2020 war der Gegenbesuch geplant – dann kam Corona.
15-köpfige Delegation
Die Partnerschaft schlief dadurch nicht ein. Vielmehr lernten die Tübinger Moshi-Freunde noch mehr als zuvor, Kontakte elektronisch zu pflegen bis hin zu vereinzelten Zoom-Konferenzen. Alte Projektförderungen wurden weitergeführt und verstärkt, und es entstanden sogar, bis dato nur digital, Kontakte zu neuen potentiellen Projektpartnern.
Aber jetzt wurde es Zeit, sich auch wieder persönlich zu begegnen. Dass ein Vereinsmitglied als Gemeinderätin mit der städtischen Delegation im Frühsommer diesen Jahres in Moshi war und einige Tübinger den Oberbürgermeister und den Stadtdirektor von Moshi bei deren Besuch hier im Juli persönlich kennenlernten, war ein guter Auftakt zur Vereinsreise.
Eine Woche lang besuchte die 15-köpfige Delegation aus Vereinen, die mit den Moshi-Freunden schon länger zusammenarbeiten, die Partnerstadt, darunter Gruppen wie NAFGEM (Network Against Female Genital Mutilation – Netzwerk gegen weibliche Genitalverstümmelung) und AJISO (Action for Justice in Society – Aktionsgruppe für Gerechtigkeit in der Gesellschaft), sowie Gruppen, mit denen der Moshi-Verein neu zusammenarbeiten will wie Onebike-TZ, ein Start-up zur Förderung des Radfahrens in Moshi mit Ausbildungswerkstatt und Stadtführungen und Plastikabfall-Sammelfahrten auf dem Fahrrad, und dem Kilimagnet-Volleyball-Club, der an Kontakt und Austausch mit Tübinger Volleyballvereinen interessiert ist.
Brief von OB zu OB
Der Oberbürgermeister von Moshi empfing die Tübinger freundlich und freute sich über einen ihm überbrachten Brief von OB Palmer. Natürlich fuhr man auch zum Kompost-Projekt, dem derzeitigen Leuchtturm der Städte- und Klimapartnerschaft zwischen Moshi und Tübingen. Auch ein Besuch im KCMC (Kilimanjaro Christian Medical Centre) gehörte zum Besuchsprogramm. Beim Difäm hatte man sich vorab über das derzeitige Kooperationsprojekt in der Onkologie- und der Palliativabteilung informiert. Ein ganzer Tag der ersten, der „offiziellen” Woche gehörte diesmal der Kilimanjaro Heritage Society (Kilimanjaro Kulturerbe Gesellschaft), die in Old Moshi ein Zentrum zur Pflege der Geschichte und Kultur der Volksgruppe der Dschagga aufbaut.
„Old Moshi” ist das frühere, „eigentliche” Moshi, wo auch die deutschen Kolonialtruppen ihre Kaserne hatten – und wo an einem Baum, der noch steht, im Jahr 1900 der Dchagga-Chief Mangi Meli und 18 weitere hochgestellte Personen von den Deutschen erhängt wurden. Der Schädel des Mangi wurde zur „Rassenforschung” nach Berlin verbracht. Einen Enkel des Mangi, der seit Jahren nach dem Verbleib dieses Schädels forscht, dafür letztes Jahr bis Berlin reiste, lernten die Tübinger an diesem eindrücklichen Tag kennen. Auch das ist gemeinsame tansanisch-deutsche Geschichte, die bei der Gestaltung einer Partnerschaft bewusst sein und gestaltet werden muss.
Ein Gletscher verschwindet
In der zweiten Woche wanderte der größere Teil der Gruppe in sieben Tagesetappen den Kilimanjaro-Friendship-Trail entlang dem Südhang dieses Bergzuges, dessen Gletscherhaube schon seit den letzten Besuchen vor neun und sieben Jahren erschreckend weiter geschrumpft ist. Er wird bis in etwa 20 Jahren wohl der erste Hochgebirgs-Gletscher sein, den die Welt ganz verliert. Voraussichtlich im November wird in einer öffentlichen Veranstaltung ausführlicher über die Reise und die Partnerschaftsarbeit unterrichtet.
Heiner Lempp
Dieser Bericht erschien am 10.10.2023 im Schwäbischen Tagblatt.